Reizmagen – Update Diagnostik und Behandlung 2021
Der Reizmagen (medizinisch: funktionelle Dyspepsie) ist eine der häufigsten Erkrankungen und zählt fraglos zu den Volkskrankheiten.
Die Häufigkeit des Reizmagens wird in Ländern mit westlichem Lebensstil mit 15-20% angegeben. Obwohl die Erkrankung so häufig ist bestehen hinsichtlich Definition, zugrunde liegender Pathophysiologie, Diagnostik und Behandlung große Unsicherheiten. Aus diesem Grund hat eine multinationale Gruppe europäischer Experten, die von den nationalen Fachgesellschaften benannt wurden, einen aktuellen Konsens über Definition, Diagnose und Behandlung des Reizmagens verfasst.
Als Kardinalsymptome des Reizmagens werden frühes Sättigungsgefühl, Völlegefühl sowie Schmerzen und Brennen in der Magengegend angesehen. Häufige Begleitsymptome sind Bauchschmerzen, Übelkeit und Aufstoßen. Symptomüberlappungen bestehen zum Reizdarmsyndrom und zu Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Medizinisch lassen sich anhand der Schmerzen 2 Typen unterscheiden: ein epigastrisches Schmerzsyndrom und ein postprandiales Stresssyndrom.
Reizmagenbeschwerden treten bei Frauen häufiger auf, die Ursachen hierfür sind unklar. Die Auswirkungen auf die Lebensqualität und die direkten und indirekten Gesundheitskosten sind beachtlich, so dass eine zeitnahe und zielgerichtete Diagnostik sowie eine konsequente Therapie empfohlen werden.
Als Ursachen des Reizmagens werden eine gestörte Magenakkommodation (reduzierte Dehnbarkeit), eine verzögerte Magenentleerung, eine Überempfindlichkeit gegenüber Magendistension (Magenfüllung), die Helicobacter pylori-Infektion und eine veränderte zentrale Verarbeitung von Signalen aus dem Magen-Darmbereich angenommen. Akute Magen-Darm-Infektionen und Angstzustände sind als zusätzliche Risikofaktoren bekannt. Ernährungsfaktoren, Mikrobiomfaktoren oder die Sekretion von Magensäure werden beim Reizmagen nicht als auslösend angesehen.
Es besteht Konsens, dass für eine sichere Diagnosestellung des Reizmagens eine frühzeitige Magenspiegelung obligatorisch ist, dass aber gerade in der Primärversorgung Patienten ohne Alarmsymptome (z.B. Erbrechen, Gewichtsverlust) und ohne Risikofaktoren (z.B. Magenkarzinom in der Familie, Blutarmut/Anämie) initial auch ohne Endoskopie behandelt werden können. Unabhängig von einer Magenspiegelung sollte bei jedem Patienten mit Reizmagenbeschwerden getestet werden ob der Magenkeim Helicobacter pylori vorliegt. Weitere zielführende Diagnosemaßnahmen sind nicht bekannt.
Die therapeutischen Optionen umfassen neben der Helicobacter pylori Eradikation (sofern positiv) eine Ernährungsberatung, Lebensstilanpassungen, medikamentöse Maßnahmen (Säureblockade, Phytotherapie, Prokinetika, Neuromodulatoren, außerhalb Deutschlands auch Serotonin-5HT1A-Agonisten) sowie Darmhypnose, Elektroakkupunktur und Verhaltenstherapie. Die Maßnahmen werden einzeln oder in Kombination angewendet.
Die Langzeitprognose und die Lebenserwartung sind beim Reizmagen günstig.
Die auf dem europäischen Expertenkonsensus, unter dem Dach der Vereinigten Europäischen Gesellschaft für Gastroenterologie (UEG) und der Europäischen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (EGNM), entstandene Leitlinie fasst den aktuellen Standard der Diagnostik und Therapie zusammen und ist öffentlich zugängig.
Weiter zum Leitlinientext, hier klicken: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1002/ueg2.12061